Mit integralem Herzverständnis heil werden

Herzschule München

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Die therapeutischen Aspekte des Sakralen Tanzes

Der Sakrale Tanz hat seit etwa 20 Jahren Eingang in meine ärztliche Tätigkeit gefunden, da er „uns die zeichenhafte, symbolische Dimension des Geistes nahebringen“ kann.

„Je öfter wir uns tanzend in diese Bewegungsbilder hineingeben, desto wacher wird unsere Erinnerung an das religiöse Urbild (in uns, MK) durch die Erfahrung von Ruhe in Bewegung. In der Bereitschaft der Hinwendung, als der Grundhaltung des Gebetes, wird es möglich, dass sich im Tanz äußere, profane Zeit zum inneren Raum wandelt…

Sakraler Tanz meint den Übungsweg, wodurch Gebet in der Bewegungssprache des Körpers lebendig wird.“ (Zitat G.Wosien)

Im Gruppen-Schulungsangebot der Herzschule München hat der Sakrale Tanz eine wichtige Bedeutung.

Für die Herzschule ist die soziale Gemeinschaft als Entwicklungsraum bedeutsam. 

In unserem Konzept von Rhythmus, Wandlung, Bewegung, Begegnung  hat der Sakrale Tanz einen festen Platz, denn beim Tanzen können Lebenswege und Lebenssituationen „leibhaftig“ begangen, Verbindung und Loslassen, Nähe und Distanz, Gehaltenwerden und Haltgeben erfahren werden.

Ich versuche das Wesen des Herzens durch die Auswahl der Tänze erlebbar zu machen und die kognitive Ebene der Wissensvermittlung durch die körperlich-seelische, emotionale zu ergänzen.

Das Füllen und Leeren, Weiten und Verengen der Herzräume lässt sich gut nachempfinden durch den Sonnentanz (re rück , li rück, re vor/li rück wiegen, re vor , li vor re seit, li anstellen) mit Musik von Bach. Ich weise zudem auf den Zusammenhang Sonne = Zentralorgan des Makrokosmos „Welt“und Herz = Zentralorgan des Mikrokosmos „Körper“ hin sowie auf die ordnende, harmonisierende Qualität der Kompositionen speziell von Joh.Seb.Bach.

Eine andere Qualität von eng und weit, offen und gerundet wird erlebbar durch z.B. den Mondtanz (choreographiert von B.Wosien), der aus  fast bedrängender Enge allmählich in die Harmonie des Kreises führt. 

Ich kann mich so über die Auswahl der Tänze immer auf die Verschiedenheit der Gruppe einstellen und entscheiden, wieviel Nähe nötig oder möglich ist, um die Herzensqualitäten erlebbar zu machen.

Die seelische Dimension des Herzens in Bezug auf mein Eigensein, das selbstbestimmte Hinaustreten in die Welt und die gleichzeitige Verbundenheit mit ihr kann ich wiederfinden im Lichterreigen (Musik Vivaldi Mandolinenkonzert):

4 Schritte zur Mitte, wo das Kerzenlicht entzündet wird am „Zentrallicht“ der Kreismitte, 

4 Schritte zurück, 6 Schritte im kleinen Kreis um mich herum, wobei sich die Arme weiten und das Licht in die Welt tragen, dann verbinden zum großen Kreis und wiegen am Platz, wie ein kurzes Innehalten, bevor es mit 6 seitlichen Kreuzschritten in Tanzrichtung weitergeht, die Hände sich anschließend während einen erneuten Wiegeschritts lösen und der Zyklus von neuem beginnt. Bewegung und Ruhe, Innen und Außen, Ich und die Gemeinschaft, Licht und Dunkel in Beziehung zu setzen, wird nachvollziehbar.  

Das ICH- Erleben wird  besonders deutlich im Sirtaki mit seinen vielen Kreuzschritten, seiner körperlichen „Kreuzhaltung“und der Notwendigkeit innerer Konzentration, um in der Komplexität der Schrittfolgen nicht  verloren zu gehen. 

Stelle ich das RhythmusorganHerz in den Mittelpunkt, eignet sich gut der Koftos mit seiner Form zwischen 7 und 8 (Koftos =  geschnitten) und seinem Wechsel zwischen rück- und vorwärtstanzen. 

Eine ähnliche Qualität hat der Tanz „Mon ame se repose“ nach einem Taizé-Lied mit seiner verhaltenden Pause zwischendurch, die eben nicht durch Takt, sondern nur durch ein Gefühl für den Rhythmus zu erspüren ist, jedes Mal neu.

Das entspricht  tief dem Herzen, welches auch  mit jedem Herzschlag neu wahrnimmt und sich den Gegebenheiten dadurch anpasst.

Die  Aspekte Entwicklung, Neugeburt, Lebensfreude, Achtsamkeit für den Prozesswerden z.B. sichtbar im Frühlingsreigen (trad. russ.): mit vorsichtig tastenden, der Erde liebevoll zugewandten Tanzschritten – sowie mit verschiedenen Formen wie Spirale, Kreis, Tunnel, Tanzrichtung und Gegentanzrichtung, das Verengen und Lösen.

Die Herzensqualitäten Begegnung und Beziehung lasse ich erleben im Priyalitsa, einem ebenfalls russischen traditionellen Begegnungstanz, der in 4 Reihen, jeweils gegenüber getanzt wird, zunächst mit der Zeit und sich zum Schluss zum Kreis in Tanzrichtung formiert. Unmittelbar  erlebbar wird, wie schwierig es manchmal ist, sich als Individualität auf seine Mitmenschen und seine Umwelt zu beziehen und damit „aus dem Rahmen“ zu fallen – trotzdem hat es im Tanzen nie etwas Verletzendes oder Ausschließendes. 

Etwas Ähnliches passiert oft im Tanz „Kommt Ihr G´spielen“ , einem traditionellen Tanz aus Thüringen/Deutschland: der beschwingte Dreierschritt in TR und zur Mitte fällt allen noch leicht, an der Begegnung in zwei gegenläufigen Kreisen mit immer neuer Paarbildung „scheitert“ manche Gruppe dann. Zumindest am Anfang des Herzschuljahres – am Ende gelingt es dann oft, was sicher auch eine Abbild der gelungenen Gemeinschaftsbildung und somit ein Instrument erfolgreichen Tuns ist.

Begegnung mit mir selbst kann deutlich werden in einer Kurzform des  Hassapicos (4 Kreuzschritte nach links -re vor li – dann li vor re zurück 4 Schritte zurück und ein Kreuz am Platz re vor, re rück, re seit , li seit mit abschließender Kniebeugung) oder im Kak pri Balkje , einem russ. traditionellen Tanz mit unterschiedlichen Drehungen: im großen Kreis,  im Kreis um mich selbst und ganz kleinen Kreis am Platz, um „auf dem Tanzboden“ sichtbar zu werden.

Das Herz als „Seelenorgan“ kann ich darstellen z.B. mit dem Vaterunser aus der russ. orthodoxen Liturgie (re seit, li seit, re seit wiegen, li anstellen, vorsichtig tastend dem Gesang folgend, eng untergehakt und dadurch ein Gefäß bildend bei gleichzeitigem Gehaltensein), Qualitäten wie Dankbarkeit mit dem Tebje pojem (Gott wird für dich tanzen) aus der Liturgie des Joh. Chrystomos, Musik S. Rachmaninow, choreographiert von G. Wosien, ein gebärdengeführter Tanz, der jeden tief berührt zurücklässt.

Zusammengefasst: Der durch die Musik vorgegebene Rhythmus wirkt regulierend auf alle rhythmischen Vorgänge im Organismus, vor allem auf Kreislauf und Atmung. Die Tanzschritte und Gebärden regen die Selbstwahrnehmung an und lassen den eigenen Körper als Instrument spüren, fördern die allgemeine Beweglichkeit und das körperlich-seelische Gleichgewicht. Durch die Auswahl und Einführung der Tänze  werden Wandlungsprozesse angeregt, ein Zur-Mitte-Kommen und ein Zugang zur Lebensfreude ermöglicht. 

Auf diese Weise können sich die Teilnehmer als Menschen in ihren unterschiedlichen Dimensionen erfahren, sich eingebettet fühlen in eine tragende Gemeinschaft.

Beim Kreistanz entsteht Wärme, nicht nur physisch, sondern eben auch seelisch-geistig, was von den Teilnehmern als hüllend, durchlichtend und energetisierend beschrieben wird und einen heilenden Impuls in die sozial immer kälter werdende Welt schickt. Für mich ist das eine Möglichkeit, in eine  heilsamere Sozialgestalt hinein zu wachsen.

Somit hat der Sakrale Tanz ein großes therapeutisches Potential im Kontext der Herzschule.

Copyright:  Dr. Maria Ursula Kreye  6.8.2022